Gedanken über die Bedeutung von Worten
Der Besuch des Pastors bei dem älteren Herrn gehörte nicht zu den Ereignissen, von denen man meinen könnte, dass sie zu den Besonderheiten seines Dienstes zählen. Nicht, dass Besuche zur Routine geworden waren, es sollte doch ein ‚normaler’ Besuch im Pflegeheim sein. Man(n) war sich vor Jahren schon einmal begegnet, kannte sich mit Namen.
Das Zimmer war eingerichtet wie man es in einem Pflegeheim erwartet, zweckmäßig und modern. Alles lag ordentlich an seinem Platz. Die Wände strahlten in einem freundlichen, mediterranen Orangeton. Der ein oder andere Bilddruck hing an der Wand.
Doch irgendetwas fehlte. Erst beim zweiten, dritten Blick fiel dem Besucher auf, dass es kein Mobiliar gab, um sich gemütlich an einen Tisch zu setzten, um miteinander, vielleicht bei einer Tasse Tee, miteinander zu plauschen.
Beim Eintritt in das Zimmer reagierte der Heimbewohner nicht. Er saß in seinem Rollstuhl und nahm seinen Besucher irgendwie nicht wahr. Erst nach einem etwas lauteren „Guten Tag“, schien er seinen Gast zu bemerken. Er drehte sich in Richtung Tür um und erwiderte den Gruß.
Der alte Herr war nicht etwa unhöflich, fühlte sich auch nicht gestört! Er konnte nur sehr schlecht hören und war zudem blind.
Schlagartig bemerkte der Pastor, dass dieser Besuch kein ‚normaler’ sein wird. Es folgte ein langes, immer wieder von Pausen bestimmtes Gespräch, in dem die Einrichtung, die Wandfarbe oder ein fehlendes Sofa keine Rolle mehr spielte.
Es waren die Worte, die in dieser Begegnung zählten. Erstaunlicher Weise spielten Mimik und selten Gestik eine Rolle.
In seiner Schöpfung hat der HERR uns Menschen mit Sinnesorganen ausgestattet und dabei offensichtlich berücksichtigt, dass nicht immer alle einwandfrei funktionieren könnten.
In unserem Fall konnten die Worte das Sehen ausgleichen. Es galt ‚lediglich’, sich auf das Gegenüber einzustellen. (s.a. Matthäus 7,12)
Was als Besuch mit Hindernissen begann, endete durch die richtigen Worte von den beiden, in einer angemessenen Art formuliert, in einer gelungen Beziehung.
Eine gesegnete Zeit
Manuel Bendig